Miete und Sozialhilfe

„Böses Erwachen“ - Hauptmieter haftet für Unterbringungskosten seines Untermieters

Mietrecht „mal anders rum“: Nicht der Vermieter V wird vom Sozialhilfeträger zur Kostenerstattung herangezogen, sondern der Hauptmieter H, der seinerzeit an Untermieter U vermietet hat. Was ist passiert?

Ohne vorherige Information und ohne eingeholte Erlaubnis des V vermietet H Teile seiner Mietwohnung an U. Deswegen und wegen eingetretener Zahlungsrückstände kündigt V das Mietverhältnis mit dem Hauptmieter H. Der Räumungsrechtsstreit endet mit einem Vergleich, in dem sich H zur Räumung der Wohnung verpflichtet. Nun macht V auch gegenüber U Herausgabeansprüche aus §§ 546 Abs. 2, 985 BGB geltend. H muss ausziehen und wird vom Sozialhilfeträger auf dessen Kosten in eine Notunterkunft eingewiesen. Der Sozialhilfeträger macht die aufgewendeten Unterbringungskosten als Schadensersatz gegenüber dem Hauptmieter H geltend und klagt auf Zahlung. Die Sache landet vor dem BGH, der mit Urteil vom 21.6.2023 - VIII ZR 303/21, WuM 2023, 473 ff die Schadensersatzklage zuspricht.

Die Begründung

Der Klageanspruch ist aus §§ 536 a Abs. 1, 536 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II begründet und steht als übergegangenes Recht des U dem leistenden Sozialhilfeträger zu. Ein Schadenersatz begründender Mangel der Mietsache läge auch dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil entzogen werde (§ 536 Abs. 3 BGB), so der BGH. Dies sei hier zwar durch den geltend gemachten Herausgabeanspruch des Hauptvermieters V erfolgt, jedoch dem Hauptmieter H zuzurechnen. Denn er sei aufgrund der im Verhältnis zu V vertragswidrigen Untervermietung und aufgrund des von ihm zu vertretenden Zahlungsverzugs mit Miete und Betriebskostenvorauszahlungen ursächlich für die Kündigung und damit für die Vertragsbeendigung mit der Folge der Herausgabeverpflichtung auch des Untermieters gegenüber dem Hauptvermieter geworden.

Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit hätte als „adäquat kausale Folge“ dieses Schadensverhaltens die Einweisung des U in eine öffentliche Unterkunft erfolgen müssen. Dazu habe auch keine alternative Unterbringungsmöglichkeit bestanden; die notwendig gewordenen Unterbringungskosten seien also direkte Folge der schadensstiftenden und rechtswidrigen Handlung des H.

Infolge der für U notwendig verauslagten Unterbringungskosten sei ihm eine entsprechende Verbindlichkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger entstanden. Auch eine solche Belastung mit einer Verbindlichkeit - hier der Pflicht zur Tragung der Unterbringungskosten - sei ein zu ersetzender Schaden; dies auch dann, wenn U als Verpflichteter weder über Vermögen noch über Einkommen verfüge und deshalb leistungsunfähig sei (Rn. 37 der Entscheidungsgründe mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH; Grüneberg/Grüneberg, Kurzkommentar zum BGB, 82. Aufl. 2023, § 249 BGB Rn. 4). Zusätzlich sei der in § 843 Abs. 4 BGB zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke zu berücksichtigen, wonach der Schädiger nicht schon deshalb von seiner Ersatzpflicht frei werde, weil dritte Personen oder die Gemeinschaft über die öffentliche Hand dafür sorge, dass sich die Beeinträchtigung für den Betroffenen (hier U) nicht nachteilig auswirke (Rn. 37 der Entscheidungsgründe am Ende; ebenso: BGH, Urteil vom 13.7.2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176 unter II 2 b cc ebenfalls zu einem Anspruchsübergang auf einen Sozialhilfeträger).

Der so für U gegen H entstandene Schadensersatzanspruch sei gesetzlich gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den klagenden Sozialhilfeträger übergegangen, die Schadensersatzklage daher dem Grunde nach begründet.

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Nachzutragen ist:

Der BGH weist wegen mangelnder Entscheidungsreife in der Sache an die Berufungsinstanz zurück. In der Berufungsinstanz wurde ein Schadensersatzanspruch schon dem Grunde nach verneint. Folgerichtig hat das Berufungsgericht deshalb zur Höhe des Anspruchs keine Untersuchungen mehr angestellt. Darauf aber kommt es jetzt nach der abweichenden Auffassung des BGH zentral an. Die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts erfolgt, um die entsprechenden Tatsachen zur Höhe des zuzuerkennenden Schadensersatzanspruches zu ermitteln.

Dazu weist der BGH auf folgenden Umstand hin:
Nach seiner ständigen Rechtsprechung sei die Schadensersatzpflicht des Vermieters auf Erstattung der Mietdifferenz wegen der Mehrkosten einer Ersatzwohnung zeitlich begrenzt; Schadenersatz wegen des entzogenen Gebrauchs der Mieträume könne der Mieter nur für die Zeit verlangen, in der der Vermieter auch gegen seinen Willen am Mietvertrag hätte festgehalten werden können. Die Ansprüche seien deshalb auf den Zeitraum bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zur Wirksamkeit der ersten möglichen Kündigung durch den Vermieter beschränkt (Rn. 51 der Entscheidungsgründe; ebenso BGH, Urteil vom 15.6.1964 - VIII ZR 255/62, WM 1964, S. 831 unter II 1; Urteil vom 29.10.1986 - VIII ZR 253/85, BGHZ Bd. 99, S. 54, 61 f; Urteil vom 2.11.2016 - XII ZR 153/15, NJW 2017, S. 1104 = WuM 2017, S. 18 Rn. 26).

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen