Mietkündigung
Wegen Ladens eines E-Autos über den Hausstrom?
„Eine coole Idee“, oder? Das E-Auto mal eben an einer Gemeinschaftssteckdose aufladen, die über den Hausstromzähler läuft. Und dies gleich zehnmal hintereinander! Das hat sich ein Mieter wohl so gedacht, und stößt dabei „überraschenderweise“ auf ungeteilte Ablehnung seiner Mitbewohner und seines Vermieters. Der sieht in diesem Tun einen Stromdiebstahl und kündigt nach sage und schreibe 10-maligem Aufladen auf fremde Kosten fristlos, hilfsweise fristgerecht. Flugs entschuldigt sich der Mieter, bietet 600 € Ausgleich an und versichert, sein Auto demnächst woanders aufzuladen. Der Vermieter klagt trotzdem auf Räumung der Wohnung. Das AG Leverkusen weist ihn ab (AG Leverkusen, Urteil vom 17.5.2024 - 22 C 157/23, FD-MietR 2024, 815540).
Eine fristlose Kündigung wegen Stromdiebstahls setze einen „wichtigen Grund“, sprich eine schwere Pflichtverletzung voraus.
Davon sei aber nicht auszugehen. Denn eine Wiederholungsgefahr sei aufgrund der Zusicherung des Mieters nicht anzunehmen. Auch habe er angeboten, den Schaden wieder gut zu machen. Der tatsächlich eingetretene Schaden durch den „Stromklau“ sei nach der Berechnung des Gerichts auf weniger als 50 € zu veranschlagen. Wenn auch ein Stromdiebstahl eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen könne (so etwa LG Berlin, Beschluss vom 2.9.2014 - 67 S 304/14, BeckRS 2015, 407), so sei doch die Menge des rechtswidrig gezogenen Stroms, damit die Schadenshöhe und auch die Dauer dieses vertragswidrigen Verhaltens zu gewichten. Nur dann könne von einer solchen schweren Pflichtverletzung ausgegangen werden.
Die aufgebrachten Mitbewohner des Hauses seien bei der Prüfung einer erheblichen Störung des Hausfriedens zu vernachlässigen! Denn sie hätten lediglich verlangt, dass Auto nicht mehr über den Hausstrom zu laden und die Stromkosten ersetzt zu bekommen. Der Mieter habe sein Fehlverhalten erkannt und den Ausgleich des eingetretenen Schadens angeboten. Dadurch sei der Hausfrieden wiederhergestellt. Schließlich fehle es für die fristlose Kündigung an einer vorherigen Abmahnung (§ 543 Abs. 3 BGB; zum Abmahnungserfordernis in diesem Fall: KG, Urteil vom 18.11.2004 - 8 U 125/04, MZM 2005, 254 - bejahend; AG Wedding, Urteil vom 10.2.2015 - 11 C 103/14, juris - verneinend)). Selbst die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung fand vor den Augen des erkennenden Gerichts keine Gnade. Auch hier fehle es an der nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB notwendigen „erheblichen Pflichtverletzung“.
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Ein Urteil, dass „Schluckbeschwerden“ verursacht.
Wie oft muss man denn nach 10-maligem Vorgehen Strom rechtswidrig entnehmen, damit von einer Wiederholungsgefahr gesprochen wird? Sie zu verneinen, weil sich der Mieter - offensichtlich in flagranti erwischt - aus seiner Sicht klug verhält und nun auf einmal zurück auf den Weg der Tugend findet, erscheint wenig lebensnah. Denn die Entziehung elektrischer Energie ist und bleibt strafbar (§ 248 c StGB). Man darf also durchaus von einer erheblichen kriminellen Energie sprechen, wenn hartnäckig und in 10 erwiesenen Fällen immer wieder Strom entzogen wird. Niemand kann ernsthaft behaupten, er wisse nicht, dass fremder Strom „tabu“ ist.
In jedem muss klar sein, dass verbrauchter Strom Geld kostet. Auch dann, wenn man in paralleler Betrachtung des Falles auf Kosten dritter Personen an einer Tankstelle tankt oder ohne zu bezahlen nach dem tanken davon fährt, macht man sich strafbar. Dieses Bewusstsein ist wie gesagt bei der Prüfung einer Wiederholungsgefahr und auch bei der Erheblichkeit einer Pflichtverletzung zu würdigen, ebenso die immer wieder gezeigte wiederholende Hartnäckigkeit bei der Tatbegehung. Diese Befunde bleiben, auch wenn man - in eigener Sache geschickt - den Reumütigen spielt.
Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen