Miete

Zahlungsverzugskündigung gemeinsam mit Klage per elektronischer Übertragung an das Gericht - … und Schriftform? 

Gerät der Mieter mit der Nettomiete und / oder mit Betriebskostenvorauszahlungen in kündigungsrelevanter Höhe in Zahlungsverzug, erfolgt je nach Höhe des Zahlungsverzugs die Kündigung fristlos, hilfsweise fristgerecht und nach einer kurzen „Geh- und Ziehzeit“ die Räumungs- und Zahlungsklage. 

Wer mehr Druck auf die Gegenseite ausüben will, hält sich gar nicht erst lange mit vorgerichtlichen Kündigungen auf, sondern klagt sofort und verbindet die Kündigungserklärung mit der Klageschrift. Denn bei der fristlosen Kündigung wird der Räumungsanspruch als Klageanspruch sofort fällig. Zahlt der Mieter dann und bringt nach den gesetzlichen Vorgaben die fristlose Kündigung zu Fall, so steht die fristgerecht erklärte Kündigung des Mietverhältnisses immer noch im Raum. Läuft die Kündigungsfrist noch, so ist der Räumungsanspruch noch nicht fällig. In diesem Fall kann aber auch bei vermieteten Wohnraum Klage auf zukünftige Räumung erhoben werden, wenn zu besorgen ist, dass der Mieter sich der rechtzeitigen Leistung entzieht (§ 257 ZPO). Das liegt zumindest immer dann vor, wenn er die Wirksamkeit der Kündigung angreift. 

Auch in einem laufenden Rechtsstreit kann die Kündigungserklärung in einem Schriftsatz wirksam abgegeben werden. Dabei kommt es nur darauf an, dass zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Voraussetzung eines Räumungsurteils, aus Sicht des Vermieters ein beendeter Mietvertrag, vorliegt. Kann die Kündigung fristlos erklärt werden - wie bei schwereren Formen des Zahlungsverzugs, so ist dem genügt.

Was ist jetzt im Zeitalter der aufgegebenen elektronischen Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Gericht per beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) zu beachten? 

Hintergrund: In der Wohnungsmiete gilt für die Kündigung das Gebot der Schriftform (§ 568 Abs. 1 BGB). Sie ist gewahrt, wenn dem Kündigungsadressaten - also dem Mieter - oder seinem Prozessbevollmächtigten eine vom Prozessbevollmächtigten des Vermieters selbst beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes, der die Kündigung enthält, zugeht. Eine Unterschrift des Bevollmächtigten unter der Zweitausfertigung des Schriftsatzes ist neben oder statt der Unterschrift unter dem Beglaubigungsvermerk dann nicht erforderlich (OLG Hamm, Rechtsentscheid vom 23.11.1981 - 4 REMiet 8/81, NJW 1982, 452). 

Nur die Zustellung einer beglaubigten Abschrift von Anwalt zu Anwalt oder von Amts wegen (§ 198 ZPO, §§ 208 ff ZPO) genügen dagegen nicht (vgl. § 132 Abs. 1 BGB; dazu BGH, Beschluss vom 4. Juli 1986 – V ZR 41/86, WuM 1987, 209). In der Wohnraummiete einschließlich der Mietverhältnisse mit eingeschränktem Mieterschutz (§ 549 Abs. 2 und 3 BGB) ist deshalb eine Kündigung in Textform (Fax, SMS, E-Mail) unwirksam. Das gilt auch für eine E-Mail mit eingescannter Unterschrift (Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 168 BGB Rn. 5; Blank, in: Blank/Börstinghaus, Miete, § 568 BGB Rn. 11; Schmid, Die Schriftform im Mietrecht, GE 2002, 1039). 

Allerdings kann eine Kündigung in der elektronischen Form des § 126 a BGB mit qualifizierter elektronischer Signatur und dem Namen des Erklärenden erfolgen (AG Hamburg, Urteil vom 25.2.2022 - 48 C 304/21, IMR 2022, 230), da sie rechtlich der Schriftform gleichgestellt wird (§ 126 Abs. 3 BGB; zu den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur vergleiche Abschnitt 4 der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 7. 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG - Art. 25 Absatz 2 VO). Notwendig sind dann eine Signaturkarte sowie ein qualifiziertes Zertifikat eines Dienstanbieters und schließlich die Nutzung einer sicheren Signaturerstellungseinheit. 

Aber: Diesen Anforderungen genügt das besondere elektronische Anwaltspostfach - beA - nun wiederum nicht. Auf die Nutzung dieses Dienstes aber ist der Rechtsanwalt seit dem 1. Januar 2022 gegenüber Gerichten zwingend verwiesen (aktive Nutzerpflicht). Das bedeutet, dass der eingangs beschriebene Weg einer Verbindung von Räumungsklage und (fristloser) Kündigung des Mietvertrags im Wohnungsmietrecht jetzt an einer Schriftformverletzung scheitert (AG Hamburg, Urteil vom 25.2.2022 - 48 C 304/21, IMR 2022, 230 mit ablehnender Anmerkung von Gerhards, ebendort; Dötsch, MietRB 2018, 30, 31; differenzierend: Ehrmann / Streyl, Praxis des elektronischen Rechtsverkehrs und Formwahrung bei der Mietvertragskündigung, NZM 2019, 873, 876; dazu auch Hinz, MDR 2022, 1383). Er scheitert auch deswegen, weil der Kündigung immer einer Vollmacht im Original beigefügt werden muss, wenn der Vermieter nicht selbst Aussteller der Kündigung ist. Geschieht das nicht, kann der Kündigungsempfänger die Kündigung unverzüglich zurückweisen (§ 174 Satz 1 BGB). In dem hier betrachteten Fall ist dazu darauf hinzuweisen, dass das Gesetz eine Übermittlung von Originalvollmachten auf elektronischem Wege noch nicht vorsieht. 

Wird all dies von der Mieterseite im Prozess gerügt, ist dagegen rechtlich also „noch kein Kraut gewachsen“ - noch nicht. Der Gesetzgeber ist gefragt. Trotzdem sucht sich die Praxis ihren Weg wie folgt: 

Prozesstaktisch bleibt es unbenommen anzubieten, die Klage zurückzunehmen und dabei sofort in Aussicht zu stellen, sie erneut per Gerichtsvollzieher dem Prozessbevollmächtigten und dem von ihm vertretenen Mieter-Mandanten mit inkludierter Kündigungserklärung zuzustellen und sie gleichzeitig per beA erneut bei Gericht einzureichen, oder einen Prozessvergleich als Alternative. Da das Gericht in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken muss und man dort auch zu Recht arbeitsökonomisch denkt, tendiert die Angelegenheit dann schon einmal in Richtung „Vergleich“. Dennoch - man befindet sich sofort vor Gericht und hat selbst auch zeitökonomisch für seinen Vermieter-Mandanten gearbeitet.

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Erste Gerichtsentscheidungen gehen auf das Problem ein, so auch in dem folgenden Fall: 

Vermieter V reicht die Kündigung des Wohnraummietvertrags innerhalb eines Schriftsatz per beA an das Gericht. Das Gericht druckt diesen Schriftsatz aus und stellt ihn mit Begleitunterlagen dem Mieter zu. Der Mieter bestreitet den Ausdruck von Schriftsatz und Begleitunterlagen mit Nichtwissen. Genügt die Kündigung des Wohnraummietvertrages nun der Schriftform und ist sie deshalb wirksam? 

Das LG Berlin meint „ja“ (Beschluss vom 16.11.2022 - 64 S 160/22, IMR 2023, 399). Mit Nichtwissen habe der Mieter nicht bestreiten dürfen, dass der klägerische Schriftsatz einschließlich der Kündigung mit einer notwendigen qualifizierten elektronischen Signatur versehen worden war, elektronisch bei Gericht eingereicht und anschließend mit Transfervermerk in eine Papierform überführt worden sei (§ 298 ZPO). Von einer Schriftform der Kündigung (§§ 126 Abs. 3,126 a Abs. 1 BGB) sei deshalb auszugehen. Wolle der Mieter dies angreifen, so hätte er jederzeit Einsicht in die Gerichtsakten nehmen können. Weil der Mieter rügelos vor Gericht verhandelt habe, könne er nun in der Berufungsinstanz auch nicht mehr damit gehört werden (§ 295 ZPO), die Zustellung des Schriftsatzes an ihn sei ohne Transfervermerk (§ 298 Abs. 1 und 3 ZPO) und ohne Beglaubigung (§ 169 Abs. 2 ZPO) erfolgt. Mit diesem Vorbringen sei er präkludiert (wegen verspäteten Vortrags ausgeschlossen). 

Zusätzlich verstoße die Rüge der nicht eingehalten Schriftform gegen § 242 BGB. Denn der Vermieter habe das aus seiner Sicht Erforderliche für die Wahrung der Schriftform getan. Nur eventuelle Fehler des AG bei der Einhaltung der Formalien könnten dem Vermieter nicht angelastet werden. 

Anzumerken bleibt, dass die Kündigung innerhalb eines elektronisch per beA an das Gericht gesendeten Schriftsatzes stark risikobehaftet bleibt. 

Das Schriftformproblem stellt sich nicht bei der Gewerberaummiete: 

Denn hier ist eine Schriftform der Kündigung nicht gesetzlich vorgeschrieben (Streyl, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 568 Rn. 4 und § 542 Rn. 37); § 568 BGB gilt nur in der Wohnraummiete. Zu Beweiszwecken wird für die Kündigung zwar auch Schriftform angeordnet, doch handelt es sich hier um eine gewillkürte Schriftform, deren unterlassene Beachtung über § 127 Abs. 2 und 3 BGB heilbar ist (dazu OLG Hamm, Urteil vom 24.9.2015 – 27 W 104/15, juris; hinweisend: BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – XII ZR 214/00, juris, dort auch zur Reichweite einer vereinbarten Zugangsart als Schriftform zu Beweiszwecken - Zugang per Telefax). Insbesondere funktioniert hier deshalb auch die Zustellung einer beglaubigten Abschrift „von Anwalt zu Anwalt“.