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Erbrecht

Pflichtteil - Verjährung und Verwirkung

Werden Abkömmlinge (zum Beispiel Kinder und Enkelkinder) des Erblassers, der Ehegatte, oder die Eltern als gesetzliche Erben durch Testament oder durch Erbvertrag mit einer abweichenden Anordnung der Erbfolge enterbt, so steht ihnen der Pflichtteil zu. Es handelt sich um einen Anspruch in Geld. Er umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB). Der Anspruch entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) und unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren (§§ 199,195 BGB); er ist übertragbar und vererblich (§ 2317 Abs. 2 BGB). 

Dazu nun der Fall einer unehelichen leiblichen Tochter, die gegen den überlebenden Lebenspartner des verstorbenen Vaters nach Feststellung der Vaterschaft ihren Pflichtteil geltend machen will: Tochter T ist nichteheliche Tochter des am 5. August 2017 verstorbenen Vaters V. Die Vaterschaft des Erblassers wurde erst mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen im Jahre 2022 festgestellt. Beklagter ist der eingetragene Lebenspartner L des Erblassers und dessen Alleinerbe. Im Jahre 2023 macht T gegen L im Wege der Stufenklage ihren Pflichtteil geltend (Auskunftsklage einschließlich Wertermittlung der Nachlassgegenstände und Immobilien sowie Zahlungsklage). 

L beruft sich auf Verjährung; T habe gewusst, dass V im Jahre 2017 verstorben sei. Schon deshalb seien nach 3 Jahren am 31.12.2020 etwaige Pflichtteilsansprüche verjährt. Auch habe sie während des Laufs der Verjährungsfrist das Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung nicht betrieben. Zusätzlich beruft er sich auf die Verwirkung eines Pflichtteilsanspruchs. T habe jahrelang mit der Rechtsverfolgung gewartet; daraus habe T schließen müssen, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch nicht mehr geltend macht. Das Berufungsgericht spricht die Klage zu (OLG Köln, Urteil vom 25.6.2024 - I-24 U 7/24, juris), der BGH erkennt Rechtsfehler, hebt das Urteil auf und verweist zur erneuten Verhandlung zurück (BGH, Urteil vom 12.3.2025 – IV ZR 88/24, juris).

Die Begründung:

Der Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 BGB sowie die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche aus § 2314 Abs. 1 BGB unterliegen der 3-jährigen Regelverjährung (§ 195 BGB). Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Seiner Kenntnis steht es gleich, wenn er wegen eigener grobe Fahrlässigkeit nicht Bescheid wusste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Entstanden sei der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall, also am 5. August 2017. Das sei aufgrund des klaren Wortlauts der Norm auch dann anzunehmen, wenn die Vaterschaft des Erblassers erst postmortal im Jahre 2022 rechtskräftig gerichtlich festgestellt worden sei. Dass die Vaterschaft erst Jahre später rechtskräftig festgestellt wurde, ändert daran nichts. Denn aus § 1600 d Abs. 5 BGB (Rechtsausübungssperre vor Feststellung der Vaterschaft) ergebe sich keine andere Wertung (zur Feststellung der Vaterschaft vgl. § 1600 d BGB; im Einzelnen zur mangelnden Anwendbarkeit von Abs. 5 der Vorschrift: im Zusammenhang mit der Entstehung des Pflichtteilsanspruchs vgl. Rn. 10 ff der Entscheidungsgründe und die hilfsweise Begründung einer dennoch nicht eingetretenen Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist nach § 205 BGB im Falle der unterstellten Anwendbarkeit von § 1600 d Abs. 5 BGB in Rn. 25 am Ende).

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Verjährung?

Die kenntnisabhängige Verjährung richte sich nach Entstehen des Anspruchs nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB. Danach sei der Klägerin Kenntnis über ihre Eigenschaft als leibliche Tochter des Erblassers erst mit rechtskräftigem Abschluss der Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu unterstellen. Denn im Falle eines Pflichtteilsanspruchs bedürfe es auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten der Kenntnis des Erbfalls, der ihn beeinträchtigenden Verfügung (Testament oder Erbvertrag, mit dem er enterbt wird), sowie der familiären Verbindung zum Erblasser, aus der sich das Pflichtteilsrecht ergibt.

Allerdings sei nach § 199 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2 BGB die grob fahrlässige Unkenntnis einer Kenntnis des Anspruchsgläubigers gleichzustellen. Die Verjährungsfrist eines entstandenen Anspruchs beginne deshalb auch dann, wenn die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt geworden seien, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und unbeachtet gelassen habe, was im gegebenen Fall jedem anderen hätte einleuchten müssen (Rn. 21 der Entscheidungsgründe). Ob ein solches unentschuldbares Fehlverhalten, das zur Verjährung des Anspruchs am 31.12.2020 führen würde, hier vorliege, sei durch den Tatrichter aufzuklären (Rn. 22 der Entscheidungsgründe). Deshalb sei an die Berufungsinstanz zurückzuverweisen.

Zur weiteren Behandlung des Falls gibt der BGH noch folgende Hinweise:

Bei der Prüfung einer etwa vorliegenden groben Fahrlässigkeit sei zu gewichten, dass die Klägerin vorgetragen habe, ihr sei die Durchsetzung von Ansprüchen aus psychischen Gründen „über lange Zeit“ nicht möglich gewesen und dies durch ein Attest belegt. Ferner sei über ihre Behauptung zu befinden, der Beklagte habe sie nach dem Tod des Erblassers darauf hingewiesen, dass eine postmortale Vaterschaftsfeststellung nicht möglich sei. Erst im Jahre 2022 habe sie erfahren, dass eine Vaterschaft auch ohne körpereigenes Material gerichtlich festgestellt werden könne.

All diese Feststellungen seien nicht nur hinsichtlich des Haupteinspruchs (Auszahlung des Pflichtteils) zu treffen, sondern auch hinsichtlich der vorgeschalteten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gemäß § 2314 BGB. Denn auch diese Nebenansprüche könnten nicht später verjähren als der Hauptanspruch selbst (Rn. 23 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH).

Nachzutragen ist:

  • Der BGH hat sich im Gegensatz zur Vorinstanz nicht mit der Frage einer Verwirkung auseinandergesetzt; sie ist im Unterschied zur Verjährung mit Einredecharakter von Amts wegen zu berücksichtigen, auch wenn dieser Einwand nicht ausdrücklich geltend gemacht wird. Das OLG Köln als Vorinstanz betont in seinem 2. Leitsatz zur Entscheidung vom 25.6.2024 - I-24 U 7/24, juris dazu ausdrücklich: „2. Nicht geschützt durch das Rechtsinstitut der Verwirkung ist eine Erwartung, dass ein Pflichtteilsberechtigter seine Ansprüche nicht geltend machen wird. Auf eine Verwirkung kann sich der Erbe nicht berufen, wenn er bereits zu einer Zeit Vermögensdispositionen traf, in der noch nicht einmal die Regelverjährung des Pflichtteilsanspruchs abgelaufen war“ (vgl. im Einzelnen Rn. 30 ff der Entscheidungsgründe).

  • Hat der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod Gegenstände verschenkt, so können sie zur Berechnung des Pflichtteils dem Nachlassvermögen zum Todeszeitpunkt dennoch zugrunde gelegt werden, entweder mit vollem Wert oder je nach Zeitablauf seit der Schenkung anteilig (§ 2325 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB). Reicht der Nachlass zur Bedienung nicht aus, ergibt sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325, 2329 BGB) auch gegen den Beschenkten. Auch dieser Anspruch unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren. Sie beginnt ebenso mit der Entstehung des Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2332 Abs. 1 BGB) und spätestens dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Schenkung erlangt, die das Erblasservermögen schmälert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.8.2006 - 15 W 23/06, NJW-RR 2007, 881).

  • Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche sind durch ein notarielles Nachlassverzeichnis auch dann zu erfüllen, wenn bereits ein vorläufiges privatschriftliches Nachlassverzeichnis erteilt wurde. In welcher Form auch immer erstellt muss das Nachlassverzeichnis Angaben zum fiktiven Nachlassbestand, also zu den ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers und Schenkungen in den letzten 10 Lebensjahren, enthalten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.8.2006 - 15 W 23/06, NJW-RR 2007, 881).

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen

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