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Nachbarrecht

Notweg auch für Kraftfahrzeuge?

Durch Teilung wird ein Grundstück zu zwei hintereinander liegenden Grundstücken. Eigentümer E gehört das an der Straße gelegene Grundstück, das in der zweiten Baureihe liegende Grundstück ohne Anbindung an eine öffentliche Straße gehört der benachbarten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dieses Grundstück ist mit einem Doppelhaus bebaut und nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt.

S ist Sondereigentümer einer der Doppelhaushälften, die vermietet ist. E akzeptiert das Notwegerecht seiner Hinterlieger und duldet die Nutzung seines Grundstücks als Zufahrt mit Kraftfahrzeugen zu deren Grundstück, nicht aber um dort auch zu parken. Die Sache wird streitig. E verklagt S mit den Anträgen,

  • auf Zahlung einer Notwegrente in Höhe von 267 € Zug um Zug gegen Duldung eines Notwegerechts, dass das Überfahren mit Kraftfahrzeugen zum Zwecke des Parkens nicht umfasst, hilfsweise
  • auf Zahlung einer Notwegrente von 313 €, wenn das Notwegerecht auch das Befahren zum Zwecke des Parkens umfassen sollte, ferner
  • festzustellen, dass E das Notwegerecht mit dem näher beschriebenen Inhalt anerkannt hat und die Ausübung dieses Rechts ermöglicht, sowie schließlich
  • es zu unterlassen, nutzungsberechtigten Dritten die Fahrt mit Kraftfahrzeugen über das Grundstück des E zum Zwecke des Parkens zu erlauben.

Die Berufungsinstanz endet mit der Feststellung, dass Notwegerecht erlaube nicht, das Grundstück auch zu dem Zweck zu überfahren, um auf dem eigenen Grundstück zu parken. Zu dulden sei nur eine Nutzung des vorderen Grundstücks in dem Umfang, der erforderlich sei, um dem hinterliegenden Grundstück die Verbindung mit dem öffentlichen Weg zu verschaffen. Dazu gehöre das Parken nicht.

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BGH entscheidet konträr

Der BGH, befasst mit der Revision, entscheidet - gegenteilig (BGH, Urteil vom 14.3.2025 - V ZR 79/24, juris). Die Gründe: Das Grundstück in zweiter Baureihe sei nicht mit einem öffentlichen Weg verbunden, also „gefangen“. Deshalb gebiete das entstandene Notwegerecht, die Zufahrt der Nutzungsberechtigten - Eigentümer wie Mieter - über das vordere Grundstück zu dem hinteren Grundstück zu dulden.

Mieter seien zwar nicht selbst notwegeberechtigt, könnten aber das dem vermietenden Eigentümer zustehende Notwegerecht entsprechend § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber den Eigentümern des vorderen Grundstücks reklamieren (Rn. 5 der Entscheidungsgründe, ebenso: BGH, Urteil vom 10.7.1963 - V ZR 32/62, NJW 1963, 1917,19 118; BGH, Urteil vom 5.5.2006 - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160 Rn. 6). Im Gegenzug bestehe ein Anspruch der duldenden Eigentümer auf Notwegerente (§ 917 Abs. 2 BGB).

Gegenstand des Notwegerechts sei auch die Erreichbarkeit des gefangenen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Dabei werde es als ausreichend betrachtet, wenn man mit dem Kraftfahrzeug bis an das Wohngrundstück heranfahren könne und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise - auch mit sperrigen Gegenständen - erreicht werden könne (Rn. 7 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH).

Ist Parken im Notwegerecht inkludiert?

Bei der Beantwortung der Frage, ob dies auch ein Parken des Kraftfahrzeugs auf dem hinterliegenden Grundstück mit umfasse, sei zu differenzieren:

  • Grenze das notwegeberechtigte Grundstück zum Beispiel mit seiner Vorderseite an eine öffentliche Straße, so könne es mit Kraftfahrzeugen angefahren werden. Die Folge: Eine ordnungsgemäße Nutzung zu Wohnzwecken sei auch dann gewährleistet, wenn Kraftfahrzeugen nicht auf dem hinteren Teil des Grundstücks vor oder in den dort gelegenen Garagen oder Stellplätzen abgestellt werden könnten (Rn. 7 der Entscheidungsgründe; ebenso: BGH, Urteil vom 19.11.2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24.1.2025 - V ZR 51/24, NZM 2025, 226 Rn. 7).

  • Handele es sich um ein gewerblich genutztes, aber „gefangenes“ Grundstück, so könne es für die ordnungsgemäße gewerbliche Grundstücksnutzung erforderlich sein, den verbindungslosen (hinteren) Grundstücksteil mit Kraftfahrzeugen anfahren zu können, wenn nur so der gewerbliche Nutzungszweck verfolgt werden könne (eingehend: BGH, Urteil vom 24.1.2020 - V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 28 f NF).

  • Habe das Grundstück - wie in dem hier entschiedenen Fall - aber überhaupt keine Anbindung an eine öffentliche Straße, so könne es nur über das notwegebelastete Nachbargrundstück angefahren werden. Ob dann ein „Parken“ in dem ausgeübten Zufahrtsrecht als Notwegerecht inkludiert sei, werde bislang unterschiedlich beurteilt (dagegen: OLG Schleswig, Urteil vom 28.1.2021 - 11 U 91/20, juris Rn. 24; dafür, OLG Schleswig, Urteil vom 1. April 2022 – 1 U 71/21, juris = ZfBR 2022, 458 Rn. 24 ff; Beck OK BGB/Fritzsche, Stand 1.2.2025, § 917 Rn. 20).

Der BGH schließt sich in der hier vorgestellten Entscheidung der bejahenden Ansicht an. Ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Fahrzeuge nicht auf dem gefangenen Grundstück abgestellt werden dürfen, sei nicht erkennbar (Rn. 9 ff der Entscheidungsgründe). Zunächst sei die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen für die ordnungsgemäße Nutzung eines Wohngrundstücks in aller Regel notwendig. Wenn dazu das Grundstück des Nachbarn im Rahmen eines zuerkannten Notwegerechts überquert werden müsse, so könne es keine Rolle spielen, zu welchem Zweck dies geschehe. Wie der Notwegeberechtigte nach dem Überqueren des Nachbargrundstücks sein eigenes Grundstück nutze - ob zum Abstellen, Parken, oder nur zum Beladen und zum Entladen, etc. - sei ihm als Eigentümer dieses Grundstücks freigestellt (§ 903 Satz 1 BGB).

Hilfsweise weist der BGH darauf hin, dass der notwegeberechtigte Beklagte auch die höhere Notwegerente (§ 917 Abs. 2 BGB) hinnehme, die durch den Parkzweck veranlasst sei. Schließlich werde akzeptiert, dass anstelle der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der Beklagte persönlich auf Zahlung der vollen Rente in Anspruch genommen werde. Als Mitglied der Gemeinschaft hätte er daneben nur anteilig zu haften (§ 9a Abs. 4 WEG).

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen